Im Gastkloster Serafine können Besucher die Stille suchen, um sich neu zu sortieren und spirituelle Angebote auszuprobieren
zum Artikel im SuperMittwoch für Würselen
Es ist ein sonniger Herbstmorgen in Broichweiden. Im „Garten der Stille“ des Gastklosters Serafine fällt Sonnenlicht durch die Blätter der Rotbuche. Unter dem Baum steht ein Stuhl zum Ausruhen. Er lädt dazu ein, sich einfach mal ein paar Minuten hinzusetzen, das Gesicht ins Licht zu halten und die Gedanken schweifen zu lassen. Ein paar Meter entfernt plätschert ein kleiner Brunnen. Bis auf das unterschwellige Rauschen der nahen der Autobahn stört nichts die Ruhe in dieser friedlichen Umgebung. Der Blick fällt auf die spätblühenden Rosensträucher, an denen ein paar welke Blätter hängen. Man bekommt Lust, sie abzuzupfen und sich ein bisschen im Garten zu betätigen. Das ist möglich. Unkraut jäten, Laub harken, ein Steinmosaik legen – wer mag, kann sich solche kleinen Aktivitäten suchen. Und wer nicht mag, der lässt es einfach und nutzt die Gelegenheit, innerhalb der Klostermauern das zu tun, weswegen er hergekommen ist: einen bewussten Rückzug anzutreten, die Stille zu suchen und sich zu sortieren, um über das Leben und den Glauben nachzudenken.
Das Angebot ist neu, das Gastkloster erst seit einigen Monaten in Betrieb. Da das Haus für die Anzahl der noch vor Ort lebenden Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut zu groß geworden ist – aktuell besteht die Ordensgemeinschaft in Broichweiden durch den Zuzug des zweiten deutschen Konvents aus dem Schwarzwald aus zehn Schwestern zwischen 77 und 94 Jahren – standen Überlegungen im Raum, was aus dem Kloster werden soll und wie der frei gewordene Raum alternativ zu beleben ist. Konvent-Oberin Martina Magdalena Merkt, mit 58 Jahren das jüngste Mitglied der Gemeinschaft, gab den Anstoß dazu, auf kleinere Organisationsstrukturen zu setzen und innerhalb der alten Klausur enger zusammenzurücken, um das dadurch frei werdende Provinzhaus, Anfang der 1990er Jahre errichtet, für andere Zwecke zu nutzen. Die aus dem Schwarzwald stammenden Schwestern hatten bereits Erfahrungen mit einem Gästehaus gesammelt. „Da es im Kurort Bad Rippoldsau lag, wurde es als Regenerationszentrum für Missionare und als Urlaubsrefugium von Ordensleuten genutzt“, berichtet Martina Magdalena Merkt. Ein solches Konzept konnte man allerdings nicht in Broichweiden umsetzen. Auch als typischer „Klosterurlaub“ für gestresste Menschen ist der Aufenthalt im Gastkloster nicht gedacht. Zwar können die Besucher die drei Hauptmahlzeiten im Restaurant des angegliederten Seniorenhauses Serafine einnehmen und an den Gebetszeiten der Schwestern teilnehmen, aber sonst ist der Klausur- und Gästebereich getrennt.
„Wir möchten den Besuchern einen Raum und ein Umfeld bieten, in dem sie zur Ruhe kommen können. Wir unterbreiten ihnen einige spirituelle Angebote für Leib und Seele, aber abgesehen davon sollten die Gäste ihren Tag eigenständig und ganz nach ihren Bedürfnissen füllen“, erklärt die Konvent-Oberin das Konzept. Sechs Einzelzimmer mit dazugehörigen Badezimmern wurden für die Teilzeitbewohner hergerichtet. Sie sind einfach und schlicht ausgestattet, sozusagen auf das Wesentliche reduziert. Die Besucher sollen nicht durch zu viel Schmuck oder gar von Unterhaltungselektronik abgelenkt werden. Ein Meditations- und Gesprächsraum mit von Glaskünstler Ludwig Schaffrath geschaffenen bunten Fenstern, ein größerer Veranstaltungsraum im ehemaligen Refektorium sowie der neu gestaltete „Garten der Stille“ können genutzt werden. Ein größerer baulicher Aufwand war für die Umgestaltung des hellen und lichtdurchfluteten Provinzhauses zum Glück nicht nötig. „Wir konnten mit den vorhandenen Räumlichkeiten arbeiten, ohne Wände versetzen oder Mauern einreißen zu müssen“, berichtet Schwester Martina Magdalena.
Seit dem vergangenen Jahr ist sie als Lehrerin für Rhythmus-Atem-Bewegung, Lehr- und Übungsweise nach Hanna Lore Scharing ausgebildet, um interessierten Gästen in Einzel- oder Gruppenkursen diesen Übungsweg der körperlichen Wahrnehmung vermitteln zu können. Der nächste Übungstag findet am Samstag, 15. Dezember, von 10 bis 17 Uhr statt. Die Räume im Gastkloster können auch für Seminare, Klausurtagungen oder Exerzitien für Gruppen von maximal 12 bis 18 Personen genutzt werden. Ganz neu eingeführt hat Schwester Martina Magdalena im September die Veranstaltungsreihe „Den Sonntag feiern“ mit Elementen wie biblische Texte, Leibesübungen, Meditationszeiten und einem einfachen Mittagessen. Der nächste Sonntag wird am Sonntag, 9. Dezember, von 10 bis 17 Uhr gefeiert. Interessierte Teilnehmer sind herzlich willkommen. Sie sollten sich jedoch vorab anmelden und bequeme Kleidung, warme Socken, Hausschuhe und ein Liegetuch mitbringen.
Schwester Martina Magdalena hat noch viele Ideen, die sie im Gastkloster umsetzen möchte. Eines hat sie jedoch nicht: zeitlichen und finanziellen Druck. „Wir folgen keinem Businessplan und müssen auch keine Rendite erwirtschaften“, erklärt sie. „Wir wollen wach dafür sein, was Menschen heute brauchen für ihr Dasein in Leben und Glauben. Letztlich hoffen wir natürlich, mit dem Gastkloster ein Zukunftsstandbein zu entwickeln.“
Kontakt: Gastkloster Serafine, Eingang: Jahnstraße 2, 52146 Würselen, Internet: www.gast-kloster-serafine.de, Tel. 0 24 05 / 4 25 84 19.
Schwesternkonvent
Die Gemeinschaft der Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut wurde 1862 von Gertrud Spiekermann gegründet. Sie wurde 1819 in Rheinbach bei Bonn geboren und trat 1842 bei den Borromäerinnen in Maastricht ein. 1873 gründete sie mit einigen Weggefährtinnen das Kloster Koningsbosch (NL). Weitere Gründungen folgten sowohl in den Niederlanden und ab 1948 in Deutschland. 1933 gingen die ersten Schwestern nach Indonesien. Heute gibt es noch einen Konvent bei Sittard (NL) und einen Konvent in Deutschland in Würselen-Broichweiden. In Indonesien haben sich auf drei Inseln (Java, Sumba und Timor) jeweils fünf Konvente mit insgesamt 120 Schwestern gebildet. Seit 2015 befindet sich das Generalat mit einer indonesischen Generaloberin in Jakarta.
Vor gut 50 Jahren suchten Bürgerschaft und Kirchengemeinde nach einer Lösung für die Versorgung von pflegebedürftigen alten Menschen. Idealerweise wollte man einen Schwesternkonvent gewinnen. So kam es, dass die Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut 1967 die Niederlassung in Broichweiden gründeten und den Betrieb eines Altenheims übernahmen – dem ersten überhaupt in der Region. Ende der 1980er Jahre zeichnete sich ab, dass nicht mehr genügend Ordensschwestern zur Verfügung stehen würden. 1997 wurde das heutige Seniorenhaus Serafine in die Hände der Seniorenhaus GmbH der Kölner Cellitinnen zur Heiligen Maria übergeben. Die noch vor Ort lebenden Schwestern sind nach wie vor ehrenamtlich im Seniorenhaus eingebunden, z.B. in der Trauer- und Sterbebegleitung.